Zum Thema Koppen...


...lese ich in diversen Gruppen auf Facebook und im Internet allgemein leider immer wieder, teilweise echt haarsträubende, falsche und veraltete Aussagen. Auch bei meinen Kunden, gibt es oft Fragen hierzu, insbesondere wenn Tiere aus schlechter Haltung bzw. vom Tierschutz übernommen wurden.

Ziemlich hartnäckig hält sich anscheinend das Gerücht das Koppen „ansteckend“ ist, eine „Sucht“ oder „junge Pferde sich das Verhalten von älteren abschauen“ würden. Auch Maßnahmen wie man das Koppen unterbinden oder abgewöhnen kann, bis hin zum Bestrafen sind im Umlauf.

Den betroffenen Tieren wird manchmal sogar unterstellt dieses Verhalten „bewusst“ zu zeigen oder „mit Absicht“ nicht damit aufzuhören. Unglücklicherweise fällt in diesem Zusammenhang dann auch der Begriff „Untugend“ -  als wäre das Pferd extra „ungehorsam oder bösartig“.

Pferde haben aber keine Tugenden oder Untugenden im Sinne unserer menschlichen Moralvorstellungen. Sie reagieren schlicht und ergreifend mit denen ihnen angeborenen Verhaltensmustern und Verhaltenselementen auf ihre Umwelt.


In meinem nachstehenden Text möchte ich deshalb kurz auf die häufigsten Fragen zum Thema Koppen eingehen und diese beantworten.


Koppen - Eine stereotype Verhaltensstörung

Koppen ist, neben Weben und Boxenlaufen, eine der häufigsten Verhaltensstörungen bei domestizierten Pferden, worüber sich erste Berichte schon im 16. Jahrhundert finden.

Eine Verhaltensstörung ist ein Verhalten, welches nicht Bestandteil des natürlichen Verhaltensrepertoires ist und im Hinblick auf Modalität, Intensität und der Häufigkeit des Auftretens stark vom Normalverhalten abweicht. In freier Wildbahn können diese Verhaltensabläufe also nicht beobachtet werden!

Natürlich mit Pferd Britta Wutke Pferdepsychologie Verhaltenstherapie Pferdeverhalten Koppen Verhaltensstörung Aufsetzkoppen: Das Pferd setzt beim Koppen die oberen Schneidezähne auf einen Gegenstand (z.B. Holzzaun) auf


- Was ist Koppen genau?

Unter Koppen versteht man das Öffnen des Schlundkopfes durch Anspannung der vorderen Halsmuskulatur. So strömt Luft in den Ösophagus und es entsteht in der Regel der sogenannte Kopperton (ähnlich wie lautes Rülpsen, Schlucken oder Glucksen).

Man unterscheidet zwei Arten des Koppens:

1. Aufsetzkoppen (cribbing)

Das Pferd setzt hier die oberen Schneidezähne auf einen Gegenstand (Balken, Boxenrand, Futterkrippe o.ä.) auf. Seltener wird ein Gegenstand auch mit den oberen und unteren Schneidezähnen erfasst oder das Kinn aufgesetzt.

2. Freikoppen (air-sucking)

Hier koppt das Pferd mit frei gehaltenem Kopf und wird oft von dem typischen „Kopfnicken“ begleitet.


- Welche Auswirkungen hat Koppen auf das Pferd?

Über die klinischen Folgen bestehen unterschiedliche Meinungen. Oft hört man noch die Aussage das bei koppenden Pferden eine erhöhte Kolikneigung besteht. Dies konnte jedoch in diversen wissenschaftliche Untersuchungen bis heute nicht nachgewiesen werden. Es wurde festgestellt das die in den Ösophagus einströmende Luft größtenteils wieder ausströmt und nur ein sehr geringer Teil tatsächlich in den Magen gelangt. Die Annahme das ein Kopper große Mengen Luft schluckt ist also nicht gegeben.

In entsprechenden Untersuchungen zeigte sich, das bei den meisten betroffenen Pferden weder eine erhöhte Krankheitsanfälligkeit, noch eine verminderte Leistungsfähigkeit vorlag.

Zu Beeinträchtigungen können allerdings die deutlichen Veränderungen an den Schneidezähnen bei Freikoppern, sowie eine teilweise schlechte Nahrungsaufnahme oder Futterverwertung führen.


- Wie wird ein Pferd zum Kopper?

Erstmalige Auslöser sind oft einschneidende Ereignisse mit hohem Erregungspotential. Manchmal reicht auch ein einmaliges Schockereignis (Initialtrauma) aus, damit dieses Verhalten später auch in anderen Situationen gezeigt wird. Ein großer Anteil ist aber auch auf nicht artgerechte Haltungsbedingungen zurückzuführen.

Wissenschaftler gehen heute davon aus, dass Stereotypien auch mit einer erblichen Veranlagung einhergehen, d.h. das bei bestimmten Pferden eine genetische Disposition hierfür besteht. Hoch im Blut stehende Pferde, wie Araber oder Vollblüter, scheinen häufiger betroffen zu sein. Die Disposition alleine reicht aber nicht aus um eine Verhaltensstörung zu entwickeln.

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Weitere mögliche Ursachen sind u.a.:

  • Zu frühes oder radikales Absetzen von der Mutter

  • Stresssituationen in der Jugendentwicklung

  • Zu früher Trainingsbeginn, zu hartes Training und / oder Ausbildungsfehler

  • Soziale Isolation, Fehlen von Reizen oder Zuwendung (Boxenhaltung)

  • Ungenügende Beschäftigung oder Bewegungseinschränkung (z.B. bei Krankheit)

  • Fehler in der Fütterung

  • Stallwechsel

Das Koppen entsteht dann in bzw. aus einer solchen, für das Pferd hochgradigen Belastungssituation heraus und hilft dem betroffenen Tier in diesem Moment das erlebte zu bewältigen. Es hat dadurch (zumindest kurzfristig) die Möglichkeit seine unzulänglichen Lebensbedingungen besser zu ertragen (Coping Strategie). Dieser Zustand hat eine erregungsmindernde, beruhigende Wirkung (die Herzfrequenz erniedrigt sich und es werden Endorphine freigesetzt)  auf das Pferd.


- Können sich Pferde das Koppen abgucken?

Immer wieder hört der liest man davon das sich Pferde das Koppen untereinander „abschauen“ würden oder das Koppen von anderen Pferden "erlernen" oder „übernehmen“. Hierfür gibt es jedoch keinerlei Belege. Wenn mehrere Pferde in einem Stall das gleiche stereotype Verhalten zeigen, besteht für alle das gleiche grundlegende Problem, bzw. erleben sie alle dieselben (unzureichenden) Haltungsbedingungen und/oder Nutzungsformen (Trainingsbedingungen), wodurch das entsprechende Verhalten ausgelöst wird.


- Was können Auslöser für aktuelles Koppen sein?

Hauptauslöser für aktuelle Koppvorgänge sind oft besonders aufregende oder sehr stressige Ereignisse mit hohem Erregungspotential - also sämtliche, für das betroffene Pferd, beunruhigende Situationen.

Auch kann die Fütterung von Leckerlies oder Kraftfutter ein aktueller Auslöser sein.

Bei manchen Pferden lassen sich jedoch keine aktuellen Auslöser erkennen oder finden.


- Was kann man gegen das Koppen tun oder wie sieht eine entsprechende Therapie aus?

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Da es sich um eine echte Verhaltensstörung handelt, ist es im Prinzip nicht möglich einem betroffenen Pferd das Koppen abzugewöhnen oder abzutrainieren. Auch Bestrafungen sind hier nicht nur wirkungslos, sondern vollkommen unangebracht.

Symptomatische Maßnahmen, wie z.B. Kopperriemen, Maulkorb etc., ändern nichts an dem ursächlichen Problem des Pferdes. Dasselbe gilt für chirurgische Eingriffe (Kopperoperation), die lediglich darauf abzielen die Verhaltensstörung zu unterdrücken.

Im Gegenteil - wird das Pferd auf diese Weise an der Ausübung des Koppvorgangs gehindert, erhöht sich sein Stresslevel entsprechend und es ist sogar eine Verschlechterung des Zustandes möglich.

Symptomatische Maßnahmen oder eine medikamentöse Therapie sind deshalb nur in Ausnahmefällen vertretbar und auch nur bei Tieren, die nachweislich durch die Verhaltensstörung in ihrer Gesundheit beeinträchtigt sind. Parallel hierzu muss aber auch immer eine Verbesserung bzw. Optimierung der Haltungsbedingungen erfolgen.


Generell sollte also Erregungsabbau und Optimierung der Haltungsbedingungen im Vordergrund stehen.

Wichtig hierbei ist z.B.:

  • Genügend Raufutter (lange Fresszeiten)

  • Viel Weidegang, Umweltreize und Beschäftigung

  • Kontakt zu Artgenossen (Gruppenhaltung)

  • Reduzierung von Kraftfutter und möglichst Verzicht auf Leckerlis

  • Verbesserung der Trainingsbedingungen

  • Vermeidung von physischer und psychischer Überlastung


- Warum koppen manche Pferde trotz verbesserter oder (vermeintlich) optimaler Bedingungen?

Viele Verhaltensstörungen, wie auch das Koppen, sind residual-reaktiv. Dies bedeutet, sie bleiben trotz Beseitigung der ursprünglichen Mängel bestehen. In manchen Fällen kann daher auch oftmals kein direkter Auslöser mehr für ein Auftreten des Verhaltens ausgemacht werden.

Durch optimierte Haltungsbedingungen und einen pferdegerechten Umgang ist es meistens dennoch möglich zumindest die Häufigkeit zu reduzieren, auch wenn sie in manchen Fällen nicht ganz beseitigt werden kann.



Fazit:

Eine bereits etablierte Verhaltensstörung ist nur sehr schwer zu therapieren, weshalb Prophylaxe und Optimierung der Bereiche Haltung, Umgang, Training und Zucht überaus wichtig sind.

Betroffenen Pferden muss Leben und Umfeld so art- und pferdegerecht wie nur möglich gestaltet werden und es sollten keinesfalls Maßnahmen ergriffen werden um die Verhaltensstörung zu unterbinden!